Garzeit

2021


Aufführungen:

04.06.2021: Historisches Museum Baden
17.06.2021: Lokal Fluntern Zürich
20.06.2021: Lokal Fluntern Zürich
14.08.2021: Pfalzkeller St. Gallen
24.10.2021: Walcheturm Zürich
29.10.2021: Postremise Chur
01.11.2021: Gare du Nord Basel


Interpretation:

Mondrian Ensemble
Ivana Pristašová: Violine
Petra Ackermann: Viola
Karolina Öhman: Cello
Tamriko Kordzaia: Klavier


Mit der Garzeit wird gemeinhin die Dauer des Wandlungsprozesses einer Ausgangsmaterie in ein Endprodukt beschrieben: Vom rohen Teig zum fertigen Brot wirken zahlreiche physikalische und chemische Prozesse. Ähnliche Vorgänge sind in der Schweiz vor 1971 spürbar: Es köchelt, gärt, simmert oder schwappt über – gar lange dauert jene Schmorprozedur, bis 1971 endlich das hart umkämpfte Frauenstimmrecht durch eine eidgenössische Abstimmung in Kraft tritt. Undenkbar ist es allerdings, den Ofen heutzutage getrost auszuschalten, denn noch immer herrschen asymmetrische Verhältnisse in den verschiedensten Bereichen unserer Gesellschaft.


Protagonist ist ein Backofen, konstruiert und gebaut von Laura Haensler nach Vorbild des in den 1960er Jahren rege verkauften Therma-Herdsystems, welcher nun seiner ursprünglichen Funktion entfremdet zum Klangkörper wird: Die Komposition von Stephanie Haensler schliesst den Ofen als festen instrumentalen Bestandteil mit ein und lässt das Ensemble dadurch in einem reizvollen Spannungsfeld zwischen Konzert- und Küchenkontext agieren. Mit Hilfe der Ofenarmaturen werden sicht- und hörbare Aktionen ausgelöst – der Backofen reagiert auf manuelle Eingriffe, die die Ereignisse im Kontext des Frauenstimm- und Wahlrechts in der Schweiz von 1914 bis heute thematisieren – eine unmittelbar haptische Umsetzung einer historischen Chronik. So antwortet der Ofen beispielsweise auf das Nein des Ständerates von 1951 mit einem plötzlichen Stromausfall, die beiden SAFFA Ausstellungen von 1928 und 1958 werden durch ein schneckenartig gewundenes Bratgut symbolisiert und die grosse Schlappe von 1959 erhält im fatalen Zusammenfallen des zuvor sorgfältig gehegten Soufflés ein prägnantes Bild. Durch die selbstverständliche Nähe und Durchmischung zweier künstlerischer Sparten entsteht auf direkte, plastische und nicht minder ironische Weise ein erweitertes Konzerterlebnis.

Filmstills: Sophie Dascal
Fotos: Regula Bearth, Dominic Steigmeier
Mit freundlicher Unterstützung von: